Kreide: Hohe Staub­be­las­tung in Klet­ter­hal­len?

 

Es ist üblich, Kreide (magnesia alba) in jeglicher Sportart zu verwenden, bei der ein rutschfester Griff unerlässlich ist, wie zum Beispiel beim Klettern oder Bouldern. Kein Wunder, dass man in der Halle oft hört:

„Bouldern ist zum einen das Putzen der Route, zum anderen die Verwendung ausreichender Kreide.“

Hat aber dieses magische Pulver auch negative Effekte? Wie zum Beispiel eine unvermeidbare (oder sehr wohl vermeidbare) Staubbelastung? Schauen wir uns das an!

Dieser Artikel ist wie folgt aufgebaut:

Ausführliches Inhaltsverzeichnis
  1. Die Auswirkung von Feinstaub auf die menschliche Gesundheit
  2. In diesem Abschnitt wird die Ablagerung von Partikeln unterschiedlicher Größe im menschlichen Körper dargestellt. Relevante Gesundheitsstandards werden vorgestellt und deren Wichtigkeit deutlich gemacht.

  3. Feinstaub / Kreide in Kletterhallen
  4. In diesem Teil analysiere ich, warum Kreide als Pulver betrachtet werden kann, was typische Staubkonzentrationen in Kletterhallen sind und welche Möglichkeiten zu deren Reduktion bestehen. Du kannst mit einem hierfür ausgelegten Rechner herausfinden, wie sich dein Kletterverhalten auf deine durchschnittliche tägliche und jährliche Staubbelastung auswirkt.

  5. Feinstaub zu Hause: Messwerte während eines Trainings
  6. Hier präsentiere ich zum Vergleich den Ausmaß an Staubbelastung während meines Trainings zu Hause und verrate, wie ich hohe Staubkonzentrationen dabei vermeide.

  7. Literatur
  8. Hier findest du die in diesem Artikel verwendete Literatur.

Viel Spaß beim Lesen; Ich freue mich auf deine Kommentare!

Kurzfassung
Klicke hier für eine Kurzfassung
  • Europäische WHO-Leitlinien für Feinstaub:*
    • Jahresdurchschnitt ≤ 40 μg/m³.*
    • Tagesmittelwert ≤ 50 μg/m³, außer 35 Mal/Jahr.*
  • In Kletterhallen kann es zu einer enormen Menge an Staubpartikeln aufgrund von Kreide kommen:
    • Durchschnittliche Konzentrationen von (200-500) µg/m³ sind möglich.*
    • Es besteht eine starke Korrelation mit der Anzahl der Personen in der Halle.
    • Zu Hause, beim Training gemessene Werte immer noch erschreckend hoch: 130 µg/m³.*
    • Entsprechende Tages- und Jahreskonzentrationen sehr nah am WHO-Grenzwert.
    • Nachteilige gesundheitliche Auswirkungen von Magnesia sind noch nicht vollständig bekannt.
  • Möglichkeiten der Staubreduzierung:
    • Ausreichende Lüftung: Mögliche Reduktion: (45-60) %.
    • Verwendung von Flüssigkreide: Mögliche Reduzierung: 100 %.
  • Eine – durch Magnesia alba verursachte – Exposition kann auch in anderen Einrichtungen wie Fitnesszentren, Turnhallen und Sporthallen beobachtet werden.

* Alle Werte für Feinstaub sind für Größen ≤ 10 µm angegeben (sogenannte PM10).

Auswirkung von Feinstaub auf die menschliche Gesundheit

Die Luftqualität hängt selbstverständlich von unterschiedlichsten Schadenstoffen ab, wobei Feinstaub (particulate matter: PM) nur eins der relevanten Faktoren ist. Die Betrachtung aller Schadstoffe würde dennoch den Rahmen dieses Artikels sprengen. Außerdem ist Feinstaub in Kletterhallen am relevantesten, daher beschränke ich mich in Folgendem auf dieses Thema.

Größenabhängige Ablagerung von Partikeln im menschlichen Körper

Es gibt zahlreiche, länderspezifische, behördliche Richtlinien für Feinstaub. Einige Beispiele (mit den entsprechenden Grenzwerten in Klammern) sind die:

  • Allgemeine Arbeitsplatzgrenzwerte für Staub, der sich in den Bronchien ablagern kann (1.25 mg/m3) und der einatembar ist (4 mg/m3).1
  • Die maximale Staubkonzentration (300 µg/m3) an jedem Arbeitsplatz in Deutschland.2

Diese Einschränkungen gelten allerdings für unterschiedliche Größen von Staubpartikeln. Für einen besseren Vergleich benutzen Forscher eine Nomenklatur für PM in Abhängigkeit dessen Größe (aerodynamischer Diameter): Partikel kleiner oder gleich XY µm werden mit PMXY bezeichnet. Die bekanntesten sind PM2.5 & PM10.

Um dir eine bessere Vorstellung zu geben, wie klein diese Partikel sind: Der Durchmesser des menschlichen Haares liegt im Bereich (50-70) µm. Je nach Größe kann PM in verschiedene Teile des menschlichen Körpers eindringen, wie es auch in Abbildung 1 zu sehen ist: Je kleiner die Partikel, desto größer ist deren Auswirkung auf die menschlichen Atemwege. Ultra-feine Partikel mit einem Durchmesser kleiner als 0,1 µm können theoretisch sogar in die Blutbahn gelangen. Letzteres Wissen stammt allerdings hauptsächlich aus Simulationen.3

Graphische Darstellung von Körperteilen, welche von Partikeln unterschiedlicher Größe betroffen sind.
Abbildung 1: Graphische Darstellung von Körperteilen, welche von Partikeln unterschiedlicher Größe betroffen sind.


Gesundheitsstandards

Die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation: WHO) veröffentlichte zwei Richtlinien/Gesundheitsstandards zur PM10 Konzentration, um die Luftqualität im Freien zu beschreiben.4 In einer weiteren Studie zeigten die Forscher, dass die Feinstaubbelastung in Innenräumen und im Freien eine ähnliche Auswirkung auf den menschlichen Körper hat.5 Aus diesem Grund können die folgenden Gesundheitsstandards auch für Indoor-Aktivitäten verwendet werden:

  • Der Jahresdurchschnitt von 40 μg/m³ darf nicht überschritten werden.
  • Der Tagesdurchschnitt von 50 μg/m³ darf nicht überschritten werden, bis auf an 35 Tagen im Jahr.

Diese Grenzen sollten tatsächlich ernst genommen werden. Die WHO hat für den Jahresdurchschnitt sogar ein noch niedrigeres Zwischenziel für PM10 von 20 µg/m³ angesetzt (und die hälfte davon für PM2.5), da dies die luftverschmutzungsbedingten Todesfälle um ~15 % reduzieren könnte. Darüber hinaus würde eine vollständige Eliminierung des Feinstaubs zu eine – mit 8,6 Monaten – verlängerte Lebenserwartung führen.6 Interessanterweise ist eine langfristige Exposition durch PM2.5 schwerwiegender, als die Summe mehrerer kurzfristigen Ereignisse. 7

Was passiert aber, wenn diese Grenzwerte überschritten werden? Weltweite Forschung gibt uns Einblick in dieses Thema und zeigt auf, welche physiologische Wirkungen und biologische Mechanismen durch kurz- und langfristige PM2.5 Exposition ausgelöst werden: Wüstenstaub kann beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen, während die Verbrennung von Holz oder Öl zu Atemwegserkrankungen führen kann.7 Es ist wichtig an dieser Stelle zu erwähnen, dass die genaue Zusammensetzung von PM schwer zu bestimmen ist, da diese große räumliche und zeitliche Variabilität zeigt. Zudem ist es nicht genau geklärt, wie sich eine bestimmte chemische Zusammensetzung nachteilig auf die Gesundheit auswirkt.8 Dennoch kann die durchschnittliche PM-Exposition als allgemeiner Indikator verwendet werden, um gesundheitsschädliche Wirkungen abzuschätzen.8

Feinstaub / Kreide in Kletterhallen

Forscher an der Universität Darmstadt publizierten einige, interessante Studien über typische PM-Konzentrationen in Kletterhallen.9,10 Durch die Argumentationskette, dass:

  1. Es kaum Daten darüber gibt, wie Kreide die Gesundheit beeinflusst und
  2. Magnesia alba selbst bei 100 % relativer Luftfeuchtigkeit nicht löslich ist,

schlussfolgern die Forscher, dass PM aus Kreide als größenabhängiger Staub angesehen werden kann. Somit können gemessene PM Werte als Indikatoren für gesundheitliche Schädigungen der Atemwege benutzt werden.

Typischer Gebrauch von Kreide in Kletterhallen.
Abbildung 2: Typischer Gebrauch von Kreide in Kletterhallen.

Die PM1, PM2.5 und PM10 Werte wurden in einer Höhe von (1,5-1,8) m gemessen. Die Forscher stellten dabei fest, dass die PM-Konzentration stark von der Personenanzahl in den Kletterhallen abhängt. Während der Stoßzeiten können PM10-Werte im Bereich von (1-4) mg/m3 erreicht werden. Im Tagesmittel entspricht dies einer Konzentration von (200-500) µg/m3. Solch hohe Werte können hauptsächlich durch den hohen Verbrauch von Kreide erklärt werden, können aber auch durch Kletterschuh- oder Seilabrieb entstehen.9

Was bedeutet das für deine durchschnittliche Staubbelatung? Probiere den Rechner auf der rechten Seite aus:

Eine direkte Korrelation mit Richtwerten der WHO ist aufgrund der Größenverteilung verschiedener Staubquellen nicht eindeutig. Nichtsdestotrotz sind diese Werte sehr hoch und wir sollten daher versuchen, solche Expositionen in Kletterhallen zu vermeiden. Zum Glück gibt es einige Optionen:10

  • Ausreichender Luftaustausch entweder durch ein modernes Luftfiltersystem oder durch regelmäßiges Lüften. Dies kann zu einer Staubreduktion von (45‑60) % führen.
  • Die Verwendung von Flüssigkreide kann die Staubkonzentration ähnlich stark reduzieren, wie ein kompletter Verzicht auf Kreide. Potentielle schädliche Wirkungen von Ethanol (Lösungsmittel in flüssiger Kreide) auf die Haut könnten jedoch ein Nachteil sein. Alle anderen Magnesia-Arten führen zu einer ähnlich hohen PM-Konzentration.

Feinstaub / Kreide zu Hause: Messwerte während eines Trainings

Eine weitere offensichtliche Möglichkeit ist die Reduzierung der Personenanzahl auf eins: Training zu Hause an der selbstgebauten Wand. Ich habe das aus Neugier ausprobiert und dabei die PM2.5 & PM10 Konzentrationswerte mit einem selbstgebastelten, Arduino basierten Staubsensor gemessen. Die Messergebnisse sind in Abbildung 3 zusammengefasst.

PM2.5 (blau) und PM10 (orange) Konzentrazionen während eines kurzen Campus-Board Trainings zu Hause.
Abbildung 3: PM2.5 (blau) und PM10 (orange) Konzentrazionen während eines kurzen Campus-Board Trainings zu Hause.

Es ist nicht zu übersehen, wann genau ich in meinen Chalkbag gegriffen habe, um einen besseren Halt zu haben. Während eines kurzen, 30-minütigen Trainings lag der PM10-Wert durchschnittlich bei ~130µg/m3, was ich für ziemlich hoch halte. Seither trainiere ich zu Hause nur noch mit Flüssigkreide oder bei geöffneten Fenstern. Das solltest du dir auch überlegen.

Schlussbemerkungen:

  • In diesem Artikel betrachte ich nur Indoor-Hallen. Das Klettern draußen führt wahrscheinlich zu keinen so hohen PM-Konzentrationen.
  • Übrigens: Magnesia alba wird nicht nur beim Klettern verwendet, sondern in vielen anderen Einrichtungen wie Fitness-Zentren, Schulen und diversen Sporthallen. Weiterführende Literatur zu diesem Thema findest du im Literaturverzeichnis.11–14

Literaturverzeichnis

1.        Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. (2014) Allgemeiner Staubgrenzwert:1–4. https://www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und-Technische-Regeln/Regelwerk/TRGS/pdf/900/900-allgemeiner-staubgrenzwert.pdf?__blob=publicationFile&v=2.

2.        DFG. (2021) MAK- und BAT-Werte-Liste 2021: Maximale Arbeitsplatzkonzentrationen und Biologische Arbeitsstofftoleranzwerte. https://series.publisso.de/sites/default/files/documents/series/mak/lmbv/Vol2021/Iss1/Doc001/mbwl_2021_deu.pdf.

3.        DANEL Vincent. (2021) Airborne particulate matter and their health effects. Encycl Environ.
https://www.encyclopedie-environnement.org/en/health/airborne-particulate-health-effects/.

4.        European Comission. Air Quality Standards n.d. https://ec.europa.eu/environment/air/quality/standards.htm.

5.        WHO. (2010) WHO Guidelines for Indoor Air Quality: Selected Pollutants.

6.        WHO. https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/ambient-(outdoor)-air-quality-and-health n.d. https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/ambient-(outdoor)-air-quality-and-health.

7.        Europe WRO for. (2013) Review of evidence on health aspects of air pollution – REVIHAAP Project.

8.        WHO. (2005) Air Quality Guidelines, Global Update.

9.        Weinbruch S, Dirsch T, Ebert M, Hofmann H, Kandler K. (2008) Dust exposure in indoor climbing halls. J Environ Monit 10:648.

10.      Weinbruch S, Dirsch T, Kandler K, Ebert M, Heimburger G, Hohenwarter F. (2012) Reducing dust exposure in indoor climbing gyms. J Environ Monit 14:2114.

11.      Salonen H, Salthammer T, Morawska L. (2020) Human exposure to air contaminants in sports environments. Indoor Air 30:1109–29.

12.      Oliveira M, Slezakova K, Delerue-Matos C, Pereira MC, Morais S. (2019) Children environmental exposure to particulate matter and polycyclic aromatic hydrocarbons and biomonitoring in school environments: A review on indoor and outdoor exposure levels, major sources and health impacts. Environ Int 124:180–204.

13.      Slezakova K, de Oliveira Fernandes E, Pereira M do C. (2019) Assessment of ultrafine particles in primary schools: Emphasis on different indoor microenvironments. Environ Pollut 246:885–95.

14.      Slezakova K, Peixoto C, Pereira M do C, Morais S. (2018) Indoor air quality in health clubs: Impact of occupancy and type of performed activities on exposure levels. J Hazard Mater 359:56–66.

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